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Chancenkarte: Deutschland bekommt einen neuen Aufenthaltstitel

Im Sommer 2023 hat der Deutsche Bundestag das Gesetz zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung beschlossen, um Deutschland für hochqualifizierte Arbeitnehmer aus dem Ausland attraktiver zu machen. Darin enthalten waren unter anderem Änderungen an der Blauen Karte EU und Erleichterungen für IT-Spezialisten und Menschen mit Berufserfahrung. Außerdem führte das Gesetz einen neuen Aufenthaltstitel in das Aufenthaltsgesetz (AufenthG) ein: Die Chancenkarte. Nach langem Warten tritt diese nun am 1. Juni 2024 in Kraft, geregelt im eigens dafür geschaffenen § 20a AufenthG. Wir erklären Ihnen, was die Chancenkarte ausmacht, wie sie funktioniert, und welche Vorteile sie mit sich bringt.

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Julia Robl

Rechtsanwältin

Rechtslage vor Einführung der Chancenkarte

Bisher war es ein Grundsatz des deutschen Migrationsrechts, dass Ausländer erst dann ein Visum zur längerfristigen Einreise nach Deutschland erhalten sollten, wenn sie einen Arbeitsvertrag oder zumindest ein konkretes Jobangebot vorweisen konnten. Von diesem Grundsatz gab es nur wenige Ausnahmen: Fachkräfte im Sinne des § 18 Abs. 3 AufenthG konnten ein besonderes Visum zur Arbeitsplatzsuche nach § 20 Abs. 1, 2 AufenthG beantragen, ebenso Ausländer, die in Deutschland ein Studium, eine Berufsausbildung oder eine Pflegeassistenz- oder -helferausbildung erfolgreich abgeschlossen hatten. 

Doch die meisten Ausländer, die in Deutschland Fuß fassen, hier leben und arbeiten wollten, mussten sich schon vor ihrer Einreise einen Arbeitsplatz suchen. Das ist verständlicherweise nicht gerade einfach, wenn man sich im Ausland befindet. 

Vorteile der Chancenkarte

Auch die Bundesregierung hat dieses Problem erkannt und daher zur Bekämpfung des Fachkräftemangels die Chancenkarte eingeführt. Sie ermöglicht es Ausländern mit großem Potenzial, auch ohne einen Arbeitsvertrag oder ein konkretes Jobangebot nach Deutschland zu kommen. So können sich diese Menschen in Ruhe im Inland auf Jobsuche begeben – die Chancenkarte ist für bis zu 12 Monate gültig. Gleichzeitig können sie bis zu 20 Stunden pro Woche einer Beschäftigung nachgehen. Das bietet natürlich den Inhabern der Chancenkarte viele Vorteile: Sie können sich so schneller an das Arbeitsleben und die Gepflogenheiten in Deutschland gewöhnen und nebenher erheblich zur Sicherung ihres Lebensunterhalts – einer Grundvoraussetzung für den Erhalt der Chancenkarte – beitragen. Außerdem können sie ihre deutschen Sprachkenntnisse verbessern. Doch auch Unternehmen profitieren davon, dass eine Vielzahl motivierter Arbeitskräfte mit großem Potential auf den Arbeitsmarkt strömt. 

Das Punktesystem der Chancenkarte einfach erklärt

Es gibt zwei Wege, eine Chancenkarte zu erhalten: Entweder als Fachkraft oder über ein Punktesystem. Fachkräfte müssen also gar nicht erst den Umweg über das Punktesystem gehen. In jedem Fall müssen einige allgemeine Voraussetzungen wie genügend finanzielle Mittel zur Sicherung des Lebensunterhaltes vorliegen. Diese erklären wir Ihnen im Detail auf unserer Hauptseite zur Chancenkarte. 

Das Punktesystem der Chancenkarte richtet sich nach dem ebenfalls neu eingefügten § 20b AufenthG. Diese Vorschrift enthält einen Katalog an Merkmalen, für die es jeweils eine gewisse Zahl an Punkten gibt. So gibt es etwa für besonders gute Deutschkenntnisse bis zu 3 Punkte, für einschlägige Berufserfahrung ebenfalls bis zu 3 Punkte, aber auch 2 Punkte, wenn Sie nicht über 35 Jahre alt sind. Wer mindestens 6 Punkte erhält, kann eine Chancenkarte beantragen. Voraussetzung dafür ist jedoch außerdem, dass der Bewerber mindestens deutsche Sprachkenntnisse auf dem Niveau A1 oder alternativ englische Sprachkenntnisse auf dem Niveau B2 sowie eine im Herkunftsland staatlich anerkannte Ausbildung von mindestens zweijähriger Dauer oder ein Studium erfolgreich abgeschlossen hat. Mehr zu diesen Grundvoraussetzungen der Chancenkarte erfahren Sie hier. 

Sie möchten überprüfen, ob Sie genug Punkte haben? Dann empfehlen wir Ihnen unseren kostenlosen Punkte-Rechner, mit dem Sie schnell und unkompliziert überprüfen können, ob Sie die Voraussetzungen der Chancenkarte erfüllen. Dort finden Sie außerdem eine übersichtliche Tabelle, die alle Kriterien und die jeweils dazugehörige Punktzahl auflistet. 

Such-Chancenkarte und Folge-Chancenkarte

Grundsätzlich ist die Chancenkarte zur Jobsuche gedacht. Man nennt sie deshalb auch Such-Chancenkarte. Sie wird für bis zu zwölf Monate erteilt und erlaubt es Ihnen, parallel zur Suche nach einem Arbeitsplatz für bis zu 20 Stunden pro Woche einem Nebenjob nachzugehen, sowie für jeweils maximal zwei Wochen auf Probe zu arbeiten. 

Wenn Sie schließlich einen Job gefunden haben, können Sie zum Beispiel auf eine Blaue Karte EU, eine ICT-Karte oder auf andere Aufenthaltstitel zur Erwerbstätigkeit wechseln. Sollte jedoch keiner dieser Aufenthaltstitel für Sie in Frage kommen, können Sie stattdessen eine sogenannte Folge-Chancenkarte für einen Zeitraum von bis zu zwei Jahren erhalten. Diese ermöglicht es Ihnen, in Deutschland zu leben und in dem Job, den Sie gefunden haben, zu arbeiten. 

Frequently Asked Questions zur Chancenkarte (FAQ)

Ja. Dafür haben wir unseren kostenlosen Punkterechner entwickelt. Damit können Sie das Punktesystem der Chancenkarte schnell und einfach verstehen. Wenn Sie mit unserem Rechner herausfinden möchten, ob Sie für eine Chancenkarte in Frage kommen, dann klicken Sie hier.

Für Fachkräfte findet das Punktesystem keine Anwendung. Sie brauchen also überhaupt keine Mindestpunktzahl, um eine Chancenkarte zu erhalten. Fachkraft ist laut § 18 Abs. 3 AufenthG, wer eine Berufsausbildung oder ein Studium entweder in Deutschland abgeschlossen hat oder einen solchen Abschluss im Ausland erworben hat, sofern der ausländische Abschluss in Deutschland anerkannt ist oder als gleichwertig bzw. vergleichbar gilt.

Um eine Niederlassungserlaubnis nach § 9 AufenthG zu erhalten, müssen Sie sich für einen gewissen Mindestzeitraum, grundsätzlich fünf Jahre, in Deutschland aufgehalten haben. Die Zeit, während der Sie eine Chancenkarte zur Jobsuche besessen haben, zählt jedoch nicht zu diesem Zeitraum dazu. Das regelt § 20a Abs. 6 AufenthG. Anders sieht es allerdings bei der sogenannten Folge-Chancenkarte aus: Etwaige Aufenthaltszeiten mit dieser Aufenthaltserlaubnis können Sie sich für eine Niederlassungserlaubnis voll anrechnen lassen.

Die Chancenkarte berechtigt zur Jobsuche in Deutschland. Doch wie lange ist die Chancenkarte gültig? Grundsätzlich kann eine Chancenkarte für bis zu ein Jahr erteilt werden. Wie lange Sie mit Ihrer Karte in Deutschland bleiben können, richtet sich aber ausschließlich nach dem Ablaufdatum Ihrer eigenen Chancenkarte. Wenn Ihre Jobsuche in Deutschland erfolgreich war, können Sie einen anderen Aufenthaltstitel zur Erwerbstätigkeit beantragen, um so längerfristig in Deutschland zu bleiben.

Die Gesetzesänderung, die die Chancenkarte einführt, tritt am 1. Juni 2024 in Kraft. Ab dann können Sie diese bei der zuständigen Auslandsvertretung oder Ausländerbehörde beantragen.

Wer eine Chancenkarte erhalten möchte, muss nachweisen können, dass sein Lebensunterhalt und unter Umständen auch der seiner engen Familie gesichert ist. Dieser Nachweis kann zum Beispiel durch ein sogenanntes Sperrkonto erfolgen, von dem Sie jeden Monat nur einen gewissen Betrag abheben dürfen. Im Jahr 2024 müssen Sie dort für jeden Monat 1.027 Euro, also für ein Jahr insgesamt 12.324 Euro hinterlegen. Auch eine Verpflichtungserklärung kann als Nachweis der Sicherung Ihres Lebensunterhalts dienen.

Wenn Sie während Ihrer Arbeitssuche mit der Chancenkarte einem Nebenjob nachgehen wollen und dafür bereits einen Arbeitsvertrag unterzeichnet haben, können Sie gegebenenfalls auch damit nachweisen, dass Sie über ein ausreichendes Einkommen verfügen.

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