Unterschied zwischen den verschiedenen Abschalteinrichtungen Dieselskandal

Im Laufe des Dieselskandals ist wohl kein Wort so oft gefallen wie das Wort „Abschalteinrichtung“. Auch wenn dieses spätestens seit dem VW-Dieselskandal im allgemeinen Sprachgebrauch angekommen ist, bestehen wohl doch noch einige Unklarheiten.

Was genau ist eine Abschalteinrichtung?

Wie unterscheiden sich die Vorrichtungen der einzelnen Hersteller?

Und wie sind diese rechtlich zu bewerten?

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Definition von Abschalteinrichtungen im Dieselskandal

Unter einer Abschalteinrichtung ist im Sinne des Art. 3 Nr. 10  der Verordnung (EG) 715/2007 ein solches „Konstruktionsteil [zu verstehen], das die Temperatur, die Fahrzeuggeschwindigkeit, die Motordrehzahl, den eingelegten Getriebegang, den Unterdruck im Einlasskrümmer oder sonstige Parameter ermittelt, um die Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems zu aktivieren, zu deaktivieren, zu verzögern oder zu verändern, wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetreib vernünftigerweise zu erwarten sind, verringert wird“ (LG Dessau, Urt. v. 14.04.2022).

Einfach gesagt, geht es also im Wohnmobil Fiat Dieselskandal um eine Vorrichtung die bestimmte Funktionen abschaltet, verändert oder herunterfährt, wodurch sich die Emissionswerte des Motors verschlechtern.

Eines haben die fragwürdigen Fahrzeuge im Abgasskandal gemeinsam, egal von welchem Hersteller sie stammen, alle haben eine Art Abschalteinrichtung verbaut. Jedoch sind diese nicht deckungsgleich. Die drei prominentesten Beispiele hierbei sind wohl die Umschaltlogik des VW-Motors, das Thermofenster, welches überwiegend Mercedes zum Vorwurf gemacht wird und die sogenannte Zeitschaltuhr.

Prüfstandserkennung

Der erste Konzern, der im Zusammenhang mit dem Abgasskandal in der breiten Öffentlichkeit in Ungnade fiel, war VW. Bereits höchstrichterlich entschieden handelt es sich jedenfalls bei der in den VW-EA 189 Motoren verbauten Abschalteinrichtung um eine unzulässige.

Die in diesen VW Motoren im Zusammenhang mit dem Dieselskandal verbaute Abschalteinrichtung erkannte die Prüfsituation an bestimmten Parametern und schaltete in solchen Fällen in einen Modus, in welchem verstärkt Abgase in den Motor zurück gelangen, wodurch sich der Stickoxid Ausstoß verringert. Umgekehrt schaltet die Software außerhalb des Prüfstandes in einen abweichenden Modus. In diesem verringert sich die Abgasrückführung und folglich steigen die NOx-Abgaswerte.

Insofern erkennt die Software anhand technischer Parameter die Betriebsart des Fahrzeugs. Sprich, ob sich dieses in einem Prüfzyklus oder im realen Fahrbetrieb befindet. Dementsprechend wird die Abgasrückführung aktiviert oder deaktiviert, wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems beeinträchtigt wird (vgl. BGH Urt. v. 08.01.2019 – VIII ZR 225/17).

Thermofenster

Mercedes verwendet wohl in einigen vom Abgasskandal betroffenen Motoren ein sogenanntes Thermofenster. Beim Thermofenster wird die Außentemperatur bestimmt und die Abgasrückführung insofern verändert, als dass diese in einem bestimmten Temperaturrahmen (20°C bis 30°C) optimal funktioniert, während sie unterhalb dieses Rahmens (20°C bis 5°C) stufenweise heruntergefahren wird, bis zu einer beinahe vollständigen Reduktion auf Null.

Zeitschaltuhr

Demgegenüber soll Fiat im Dieselskandal eine zeitlich gekoppelte Abschalteinrichtung entwickelt haben. Die sog. Zeitschaltuhr bewirkt, dass die Abgasrückführungsrate nach etwa 22 Minuten, oder nach einer festgelegten Anzahl an Regenerationszyklen, stark reduziert bzw. deaktiviert wird. Dies bewirkt, dass der Motor während des NEFZ Prüfzyklus, welcher ebenfalls ca. 22 Minuten dauert, sauber ist, jedoch nicht darüber hinaus. Denn mit Ablauf der 22 Minuten und somit auch mit Ende des Prüfstandes reduziert sich die Abgasrückführung und die Emissionswerte steigen sehr stark an.

Rechtliche Beurteilung

Die Unterschiede in der Funktionsweise der Abschalteinrichtungen führt auch dazu, dass diese im Fiat Dieselskandal rechtlich unterschiedlich bewertet werden müssen.

Ob das Thermofenster als unzulässige Abschalteinrichtung im Rahmen des Abgasskandal zu bewerten ist , wurde vor kurzem in Bezug auf VW und Porsche vom EuGH entschieden. Die rechtlichen Wertungen können jedoch auch auf Thermofenster in anderen Fahrzeugen übertragen werden, da es bei der Frage der Unzulässigkeit um die Funktionsweise des Thermofensters generell geht. Der EuGH hat hierbei entschieden, „dass eine Einrichtung, die die Einhaltung der in (..) [der Verordnung Nr. 715/2007] vorgesehenen Grenzwerte nur gewährleistet, wenn die Außentemperatur zwischen 15 und 33°C liegt (…) eine Abschalteinrichtung im Sinne (…) [dieser Verordnung] darstellt“ (EuGH C-134/20) und somit grundsätzlich unzulässig ist. Unkompliziert gesagt, hat der EuGH für den Dieselskandal nun entschieden, dass eine Abschalteinrichtung, welche in Abhängigkeit von der Außentemperatur die Abgasreinigung drosselt, als rechtswidrig zu bewerten sind.

Bei der von VW verwendeten Abschalteinrichtung ist bereits höchstrichterlich geklärt, dass eine solche Umschaltlogik eine unzulässige Abschalteinrichtung darstellt. So hat der BGH entschieden, dass eine solche Vorrichtung, welche dafür sorgt, dass die Abgaswerte nur auf dem Prüfstand eingehalten werden, eine unzulässige Abschalteinrichtung i.S.d. Art. 5 Abs. 2 Satz 1 VO (EG) Nr. 715/2007 darstellt (vgl. BGH Urt. v. 08.01.2019 – VIII ZR 225/17).

Wie die Zeitschaltuhr rechtlich zu bewerten ist, steht noch nicht in Gänze fest. Einige gehen davon aus, dass es sich auch bei dieser um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt.

Hier zu einer detaillierteren Bewertung der Zeitschaltuhr.

Fazit

Eines geht also deutlich hervor; die im Zusammenhang mit dem Dieselskandal verwendeten Abschalteinrichtungen sind relativ unstreitig als unzulässige Abschalteinrichtungen einzustufen. Dies ist jedoch nicht gleichbedeutend damit, dass jedem Verbraucher, der ein Fahrzeug mit einer solchen Vorrichtung erworben hat, auch ein Anspruch auf Schadensersatz zusteht.

Die Problematik liegt nun und lag auch schon in den Verfahren gegen VW hauptsächlich darin zu beweisen, dass die jeweiligen Konzerne vorsätzlich und sittenwidrig gehandelt haben. Denn dies sind zwei der Voraussetzungen des § 826 BGB, welcher bislang in den meisten Fällen von den deutschen Gerichten als einschlägige Anspruchsgrundlage herangezogen wurde.

Dies könnte sich nun jedoch bald ändern, es wird eine weitere Rechtsprechung des EuGH auch mit Bedeutung für den Fiat Dieselskandal erwartet, in welcher der Antrag des Generalanwalts darauf gerichtet ist, zu entscheiden, dass die Verordnung (EG) Nr. 715/2007 eine Schutznorm i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB darstellt. Dies könnte eine große Auswirkung auf die Verfahren im Rahmen des Fiat Dieselskandals haben.

Denn der § 823 Abs. 2 BGB lässt als Voraussetzung die Fahrlässigkeit genügen. Dies würde die schwierige Beweisproblematik der vorsätzlichen, sittenwidrigen Schädigung aus dem Weg räumen. Es bleibt nun also abzuwarten, ob der EuGH im Sinne des Antrags des Generalanwalts entscheidet oder nicht.

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