EuGH-Urteil vom 21.03.2023: Fiat droht eine Schadensersatzwelle im Abgasskandal

Wer ein Wohnmobil erworben hat, das eine unzulässige Abschalteinrichtung enthält, dem kann Schadenersatz zustehen. 

Der Dieselskandal, von dem auch Fiat betroffen ist, beschäftigt die Automobilbranche und die Verbraucher schon seit langem. Verschiedene Hersteller von Dieselmotoren, verbau(t)en in ihren Motoren sogenannte Abschalteinrichtungen. Dies führte dazu, dass die Fahrzeuge deutlich „sauberer“ wirkten als sie es tatsächlich waren. In der Folge wurden Fahrzeuge, welche die zulässigen Abgasgrenzwerte deutlich überschreiten von den zuständigen Behörden zugelassen.

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Julia Robl

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In den letzten 10 Jahren fielen jedoch immer mehr Ungereimtheiten im Zusammenhang mit den Dieselmotoren auf. Dies führte zunächst zu Schlagzeilen und einer immensen Klagewelle gegen den VW-Konzern. In den nächsten Jahren weitete sich der Dieselskandal auf die meisten großen Automobilhersteller, so auch auf Fiat, welche auf die eine oder andere Art und Weise Abschalteinrichtungen in ihre Motoren verbaut haben, aus.

Obwohl der Dieselskandal nun schon seit Jahren in aller Munde ist, ist eine gerichtliche Aufarbeitung noch immer nicht abgeschlossen. Am 21.03.2023 fällte der EuGH nun sein nächstes lang erwartetes Urteil im Zusammenhang mit dem Abgasskandal.

Zum aktuellen EuGH-Urteil - 21.03.2023

Der EuGH hat in seinem Urteil vom 21.03.2023 verbraucherfreundlich entschieden:

Art. 18 Abs. 1, Art. 26 Abs. 1 und Art. 46 der Richtlinie 2007/46 in Verbindung mit Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 haben auch die Zielrichtung, die Interessen individueller Erwerber von Kraftfahrzeugen zu schützen.

Die Art. 18 Abs. 1, 26 Abs. 1, 46 der Richtlinie schützen somit die Interessen von Einzelpersonen. Insbesondere wird das Interesse des Käufers geschützt, ein Fahrzeug, welches eine unzulässige Abschalteinrichtung gem. Art. 5 Abs. 2 der VO (EG) Nr. 715/2007 enthält, nicht zu erwerben. Somit sind die Mitgliedstaaten sozusagen dazu verpflichtet sicherzustellen, dass der Erwerber eines solchen Fahrzeuges einen Anspruch auf Schadensersatz gegenüber dem Hersteller hat, insofern das Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet ist.

Mit diesem Urteil folgt der EuGH den Schlussanträgen des Generalanwalts Athanasios Rantos und kam schlussendlich zu dem von den Verbrauchern erhofftem Ergebnis.

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Bewertung des EuGH-Urteils

Im Kern entschied der EuGH in seinem Urteil, dass es sich bei den Artikeln der Richtlinie um Schutznormen handelt. Also um Normen, welche nicht nur ein Allgemeininteresse schützen, sondern auch Individualinteressen. Dies spielt im Zusammenhang mit dem Bestehen von Schadensersatzansprüchen und der Wahrscheinlichkeit der erfolgreichen gerichtlichen Durchsetzung eines Schadensersatzanspruches eine entscheidende Rolle. Es muss nun voraussichtlich nicht mehr unbedingt nachgewiesen werden, dass Fiat im Abgasskandal bewusst eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut hat, um sich zu bereichern. Erfahren Sie mehr zu den weiteren Urteilen im Fiat Ducato Abgasskandal.

Es dürfte ausreichen darzulegen, dass eine unzulässige Abschalteinrichung vorliegt und der Herstellerwissen hätte müssen und können, dass eine unzulässige Abschalteinrichtung gegen die Gesetze verstößt und die Verbraucher schädigt.

Womit hat sich das EuGH-Urteil beschäftigt?

In dem EuGH-Urteil, welches sich unmittelbar auch auf den Fiat Ducato Abgasskandal übertragen lässt, befasst sich der EuGH mit der Vorlage des LG Ravensburg, in einem Verfahren gegen Mercedes, welches sich um die Zulässigkeit des von Mercedes verwendeten Thermofensters dreht.

Vorrangig wollte das Landgericht Ravensburg vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) beantwortet wissen, ob die Richtlinie 2007/46/EG in Verbindung mit der Verordnung Nr. 715/2007 einem einzelnen Erwerber eines Fahrzeugs, das die in dieser Verordnung festgelegten NOx-Emissionsgrenzwerte nicht einhält, einen Schadensersatzanspruch gegen den Fahrzeughersteller aufgrund deliktischer Ansprüche verleiht.

Auf diese antwortete der BGH wie bereits geschildert im Sinne der Verbraucher, dass ein solcher deliktischer Anspruch auf Ersatz des Schadens besteht.

Übertragbarkeit auf Klagen gegen Fiat

Dass sich das Urteil des EuGH mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung seitens Mercedes beschäftigt spielt keine Rolle. Bei dem Urteil des EuGH handelt es sich um ein Urteil, welches grundsätzlich auf die Frage nach der Auslegung der Richtlinie 2007/46/EG und der Verordnung (EG) Nr. 715/2007, antwortet. Diese sind auch im Verfahren gegen Fiat im Abgasskandal entscheidend, da sich die Unzulässigkeit der Abschalteinrichtungen nach diesen richtet. Somit ist das Urteil auch für die laufenden Verfahren im Fiat Abgasskandal maßgeblich.

Dies wird schon bereits dadurch deutlich, dass die Gerichte seit einiger Zeit die ihnen vorliegenden Verfahren in Erwartung der Entscheidung des EuGH aussetzen.

Auswirkungen

Rechtliche Auswirkungen

Die Tatsache, dass die fraglichen Normen als Schutzgesetze eingeordnet wurden, hat eine entscheidende Folge. Dies hat dazu geführt, dass sich nunmehr ein Schadensersatzanspruch gegen Fiat nicht nur aus § 826 BGB (Sittenwidrige vorsätzliche Schädigung), sondern auch aus § 823 II BGB in Verbindung mit der Schutznorm, ergeben kann.

Bei einem Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB muss von der Klägerseite anders als bei § 826 BGB, welcher bisher von den höheren Gerichten als Anspruchsgrundlage gegen die in den Dieselskandal verstrickten Hersteller herangezogen wird, kein sittenwidriges Verhalten dargelegt werden. Vielmehr genügt die einfache Fahrlässigkeit, was die Darlegungspflicht im Prozess für den Kläger deutlich entschärft und somit die Erfolgschancen einer Klage gegen Fiat klar vergrößert.

Tatsächliche Auswirkungen

Dieses Urteil des EuGH wurde mit Spannung erwartet, selbst der BGH beschloss, ein dort anhängiges Verfahren im Zusammenhang mit dem Dieselskandal auszusetzen und auf das Urteil des EuGH zu warten.

Nun ist das erwartete Urteil endlich verkündet und seine Ausmaße werden sich in nächster Zeit zeigen.

Es steht fest, dass dieses Urteil die Rechtsposition der Verbraucher im Fiat Ducato Abgasskandal und im Dieselskandal im Allgemeinen deutlich verstärkt. Eine Reihe an für die Verbraucher positiven Urteile dürfte seitens der deutschen Gerichte zu erwarten sein. In direkter Folge könnte es bei einer solchen Entwicklung hin zu deutlich höheren Erfolgschancen zu einer neuen Klagewelle gegen Fiat kommen.

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