Bedeutende Änderungen im Staatsangehörigkeitsrecht

Freizügigkeit in ganz Europa, ein uneingeschränktes Wahlrecht, einen Reisepass, der zu den „wertvollsten“ der Welt gehört – die deutsche Staatsangehörigkeit bringt viele Vorteile mit sich. Wer sie nicht schon durch Geburt über einen deutschen Elternteil erlangt hat, kann einen Antrag auf Einbürgerung stellen, und damit den letzten Schritt auf dem langen Weg der Integration gehen. Im EU-Durchschnitt steht Deutschland, was Einbürgerungen angeht, allerdings eher schlecht da: Nur knapp 1,1 Prozent aller in Deutschland lebenden Ausländer haben 2022 einen Antrag auf Einbürgerung gestellt. Das führt dazu, dass viele Menschen, insgesamt über fünf Millionen, sich schon lange Jahre in Deutschland aufhalten, gut integriert sind, aber dennoch nicht gleichberechtigt an der deutschen Demokratie teilhaben können.

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Julia Robl

Julia Robl

Rechtsanwältin

Auch die Bundesregierung hat dieses Problem inzwischen erkannt und daher am 23. August 2022 einen Gesetzentwurf zur Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts beschlossen. Dieser würde, sofern ihn der Bundestag in der vorliegenden Fassung beschließt, weitreichende Änderungen rund um das Thema Einbürgerung mit sich bringen. Welche genau, erklären wir Ihnen hier.

Wie ist die Rechtlage im Moment?

Um die Tragweite der vorgeschlagenen Neuerungen zu verstehen, ist es hilfreich, zunächst die jetzige Rechtslage zu Einbürgerungen zu kennen, die sich vor allem in § 10 Abs. 1 StAG findet. Diese Norm verlangt unter anderem, dass Antragsteller seit mindestens acht Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt rechtmäßig in Deutschland haben. In einigen Ausnahmefällen, etwa wenn ehrenamtliches Engagement oder besonders gute Sprachkenntnisse nachgewiesen werden können, kann diese Dauer auf bis zu sechs Jahre verkürzt werden. Außerdem sieht § 10 StAG vor, dass eine Einbürgerung grundsätzlich nur Menschen offensteht, die bereit sind, ihre bisherige Staatsangehörigkeit aufzugeben. Eine detaillierte Erklärung aller Voraussetzungen, die es für einen erfolgreichen Antrag zu erfüllen gilt, finden Sie auf unserer Hauptseite zur Einbürgerung.

Verkürzung der vorgeschriebenen Aufenthaltsdauer

Künftig soll eine Einbürgerung nach § 10 StAG schon nach fünf Jahren (und nicht wie bisher acht Jahren) rechtmäßigen Aufenthalts in Deutschland möglich sein. Wie schon nach der jetzigen Rechtslage soll auch weiterhin eine Verkürzung dieser Dauer um bis zu zwei Jahre aufgrund besonderer Integrationsleistungen in Schule, Ausbildung oder Beruf oder besonders guter Sprachkenntnisse möglich sein. Laut dem Gesetzesentwurf soll so die Wartezeit bis zu einer Einbürgerung von fünf auf bis zu drei Jahre verkürzt werden können.

Künftig doppelte Staatsbürgerschaft möglich

Neben dieser Verkürzung der Aufenthaltsdauer sieht der Gesetzentwurf noch eine zweite bedeutende Änderung vor: Mehrstaatlichkeit soll in Zukunft möglich sein. Das bedeutet, dass Einbürgerungswillige nicht mehr wie bisher ihre alte Staatsbürgerschaft aufgeben müssen, um einen deutschen Pass erlangen zu können.

Diese Ermöglichung der doppelten Staatsbürgerschaft hat allerdings nicht nur bei der Einbürgerung weitreichende Folgen, sondern ändert auch die Rechtslage mit Blick auf den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch Geburt. Bisher müssen Kinder von ausländischen Eltern, die in Deutschland geboren werden und gem. § 4 Abs. 3 StAG die deutsche Staatsangehörigkeit zusätzlich zu der ihrer Eltern erlangen, nach Vollendung des 21. Lebensjahres wählen, welche der beiden Staatsangehörigkeiten sie behalten wollen, sofern sie nicht in Deutschland aufgewachsen sind. Diese Optionsregelung aus § 29 Abs. 1 StAG würde durch den Gesetzesvorschlag künftig entfallen.

Erleichterungen für Gastarbeitergeneration

Weitere Erleichterungen bringt der Gesetzentwurf für die Gruppe der Gastarbeiter bzw. Vertragsarbeiter. Um ihren Beitrag zur Entwicklung Deutschlands zu würdigen, sollen die Voraussetzungen einer Einbürgerung für sie angepasst werden. Künftig sollen ehemalige Gastarbeiter keinen Einbürgerungstest mehr ablegen müssen, um den deutschen Pass erlangen zu können. Außerdem gilt für sie das Erfordernis von ausreichenden Sprachkenntnissen als erfüllt, wenn sie sich „ohne nennenswerte Probleme“ im Alltagsleben verständigen können, wobei auch lediglich mündliche Kenntnisse ausreichend sind.

Sonstige Änderungen

Neben all diesen großen Änderungen schlägt der Gesetzentwurf auch mehrere kleine Neuerungen vor. So soll etwa künftig eine Einbürgerung für Ausländer, die gleichzeitig mit mehreren Ehepartnern verheiratet sind, ausgeschlossen sein. Auch Verhalten, das eine Missachtung für die Gleichberechtigung von Mann und Frau zum Ausdruck bringt, soll laut dem Gesetzentwurf in Zukunft ein Ausschlussgrund sein.

Dafür werden an anderer Stelle die Anforderungen an Einbürgerungswillige gelockert. So soll künftig davon ausgegangen werden, dass der Lebensunterhalt eines Bewerbers gesichert ist, wenn er in Vollzeit erwerbstätig ist und dies auch innerhalb der letzten 24 Monate für mindestens 20 Monate war. Ein Bezug von Sozialleistungen für bis zu vier Monate soll somit einen Anspruch auf Einbürgerung nicht mehr verhindern.

Da der Gesetzentwurf, wie oben bereits beschrieben, die Mindestaufenthaltsdauer reduziert, werden auch die Möglichkeiten der Anrechnung eines früheren Aufenthalts im Bundesgebiet im Rahmen des § 12b Abs. 3 StAG beschränkt. In Zukunft sollen nur noch bis zu drei Jahre Voraufenthalt (und nicht wie bisher bis zu fünf Jahre) angerechnet werden können.

Zu guter Letzt soll das neue Gesetz auch eine symbolische Änderung einführen: Wer die deutsche Staatsbürgerschaft im Wege der Einbürgerung erlangt, soll seine Einbürgerungsurkunde künftig im Rahmen einer öffentlichen Einbürgerungsfeier überreicht bekommen.

Wann tritt das Gesetz in Kraft?

Mit dem Beschluss durch das Bundeskabinett am 23. August 2023 hat der Gesetzentwurf die erste Hürde genommen. Allerdings muss er noch im Bundestag verabschiedet werden, bevor er verkündet werden kann. Ob während dieses Prozesses noch Änderungen an dem Entwurf beschlossen werden, bleibt abzuwarten. Mit einem Inkrafttreten ist realistischerweise nicht vor dem Frühjahr 2024 zu rechnen. Bis dahin bleibt es bei der bisherigen Rechtslage und damit dem Erfordernis der Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit und einem vorausgesetzten Aufenthalt von acht Jahren.

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