Urteile im Fiat Ducato Abgasskandal

Auf dieser Seite können Sie sich über den aktuellen Stand (September 2022) der Rechtsprechung im Fiat Ducato Wohnmobil Abgasskandal informieren.

Die Rechtsprechung dreht sich in den letzten Monaten im Fiat Wohnmobil Dieselskandal gegen Fiat und für die Verbraucher. Einige Landgerichte entscheiden bereits zugunsten der Wohnmobil Besitzer. Diesen Entscheidungen schließen sich zunehmend auch die Oberlandesgerichte – wie das Oberlandesgericht München  – an und haben bereits angekündigt verbraucherfreundlich zu entscheiden. Zudem fordert auf europäische Ebene der Generalanwalt beim EuGH einen Schadensersatzanspruch im Zusammenhang mit dem Dieselskandal.

Die Gerichte, die noch für Fiat und gegen die Wohnmobil Besitzer urteilen, vertreten eine Rechtsauffassung, die sich nach dem zu erwartenden Urteil des EuGH und der zu erwartenden Rechtsprechungsänderung des BGH, ändern dürfte. In der Summe ist eine für den Wohnmobil Besitzer günstige Rechtslage zu erwarten.

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Julia Robl

Julia Robl

Rechtsanwältin
Veröffentlicht am 27. September 2022

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Positive Urteile im Fiat Ducato Abgasskandal (gegen Fiat)

Mittlerweile gibt es viele positive Endurteile (Bspw. . LG Köln Urt. V. 12.08.2022 Az. 10 O 30/21;  LG Dortmund Urt. v. 03.05.2022, Az. 3 O 542/20; LG Stuttgart Urt. v. 14.04.2022, Az. 20 O 147/21; LG Dessau Urt. v. 14.04.2022, Az. 4 O 315/21; LG Landshut Urt. v. 18.03.2022, Az. 54 O 1306/21) in der ersten Instanz, in denen gegen FCA Italy S.p.A. (Fiat) entschieden wurde.

Bei diesen Urteilen muss allerdings darauf hingewiesen werden, dass alle erwähnten Urteile noch nicht rechtskräftig sind. Das bedeutet, dass davon auszugehen ist, dass Fiat sich gegen diese „Endurteile“ wehren wird und das nächsthöhere Gericht entscheiden muss.

In den oben genannten Urteilen gehen die Gerichte zusammengefasst davon aus, dass eine unzulässige Abschalteinrichtung in den Wohnmobilen auf Fiat Ducato Basis eingebaut wurde. Die Abschalteinrichtung reduziert die Abgasreinigung nach 22 Minuten und führt zu drastisch überhöhten Emissionswerten. Die aus unserer Sicht betroffenen Fiat Ducato Motoren finden Sie hier.

Diese sogenannte „Zeitschaltuhr“ diene dabei nicht dem Motorschutz, sondern einzig den Gewinninteressen von Fiat, weshalb das Inverkehrbringen der Fahrzeuge als sittenwidrig eingestuft wird.

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Urteile

LG Köln, Urteil vom 12.08.2022, Az. 10 O 30/21

In noch nicht rechtskräftigem Urteil vom 12. August 2022 verurteilt das LG Köln Fiat zu Schadensersatz (Az. 10 O 30/21). Dabei verurteilte das Gericht Fiat Italy S.p.A. zur Zahlung von EUR 50.525,36 gegen Rückgabe des Wohnmobils.

Das Gericht urteilte, dass der Kläger durch Fiat Italy S.p.A. sittenwidrig geschädigt (§ 826 BGB) wurde. Damit führt das LG Köln den Trend der verbraucherfreundlichen Rechtsprechung fort.

Im vorliegenden Fall handelte es sich um ein Wohnmobil auf Fiat Ducato Basis (Multijet 150, 2,3 Liter, Euronorm 6b).

Das LG Köln stellt fest, dass die „Timerfunktion“ eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 1 VO (EG) Nr. 715/2007 ist. Auch sieht das Gericht die Sittenwidrigkeit als gegeben an. Insbesondere in Zusammenhang mit der Dauer des Prüfzyklus, welche ca. 20 Minuten beträgt. Dieselbe Dauer, nach welcher die Abgasreinigung deaktiviert bzw. stark reduziert wird. Den Klägervortrag diesbezüglich sieht das Gericht als nicht zur Genüge bestritten an. Nach Ansicht des Gerichts widerspricht diesem Ergebnis nicht die Typgenehmigung durch die italienische Zulassungsbehörde. So entfällt laut dem Gericht die Tatbestandswirkung der Typgenehmigung jedenfalls dann, wenn die Typgenehmigung durch Arglist oder mittels Falschangaben erworben wurde.

Auch das LG Köln ging bezüglich der Nutzungsentschädigung von einer Laufleistung von 300.000 Kilometern aus ().

LG Dortmund Urteil vom 03.05.2022, Az. 3 O 542/20

Das Landgericht Dortmund verurteilt die FCA Italy S.p.A. (im Weiteren: Fiat) in einem noch nicht rechtskräftigen Urteil zur Zahlung von 26.942 Euro Schadensersatz. Im Gegenzug muss die Klagepartei ihr Fahrzeug, ein Carado T 447 zurückgeben. Es handelt sich um ein Wohnmobil mit Fiat Ducato Basisfahrzeug mit einem 2,3l Multijet, 96 kW Dieselmotor des Typs F1AE3481D und der Abgasnorm Euro 5b. Die Klagepartei leistete eine Anzahlung und finanzierte den verbleibenden Kaufpreis in Höhe von 49.990 Euro mit einem Darlehen.

Im Gegensatz zum Urteil des Landgerichts Freiburg vom 26.02.2021 (Az.: 14 O 333/20) sieht das Landgericht Dortmund es als rechtlich möglich an, dass vor deutschen Gerichten über die Zulässigkeit von Abschalteinrichtungen entschieden wird, obwohl die Typgenehmigung von italienischen Behörden erteilt wurde. Nach Ansicht des Gerichts könne es nicht sein, dass eine sogenannte „Tatbestandswirkung“ der italienischen Zulassungsbehörden, also die rechtliche Bestätigung der Einhaltung von Grenzwerten gilt, sofern diese arglistig oder jedenfalls mit falschen oder unrichtigen Angaben erwirkt worden ist.

Das Gericht ist davon überzeugt, dass die Software von Fiat so programmiert wurde, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte nur auf dem Prüfstand beachtet werden. Im normalen Fahrbetrieb hingegen wurden die gesetzlichen Abgasgrenzwerte nicht beachtet, sodass diese sogenannte Umschaltlogik (Umschaltung bzw. Reduzierung der Abgasreinigung im normalen Fahrbetrieb) unmittelbar auf die arglistige Täuschung der Typgenehmigungsbehörde abzielte. Es handelt sich um eine Timer-gestützte Abschaltfunktion.

Das Gericht ist der Auffassung, dass das Handeln von Fiat nur durch Gründe der Gewinnmaximierung zu erklären sei. Das Verwenden einer Abschalteinrichtung zu diesem Zweck ist sittenwidrig. Aus diesem Grund verurteilte das Gericht Fiat aus Schadensersatz gemäß § 826 BGB.

Das die Klägerin nicht Eigentümerin des Fahrzeugs ist, sondern dieses im Rahmen der Finanzierung zur Sicherheit an eine Bank übereignet hat steht dem Anspruch auf Schadensersatz nicht entgehen. Selbst die Finanzierungskosten können gelten gemacht werden.

Für die Berechnung des Wertes des Nutzungsersatzes, also dem wertmäßigen Teil, den die Klägerin durch das Fahren des Wohnmobils verbraucht hat, setzte das Gericht eine Gesamtlaufleistung von 300.000 Km als Berechnungsgrundlage (erwartete Restlaufleistung im Erwerbszeitpunkt) zugrunde. Der Nutzungsvorteil, den die Käuferin in Anspruch genommen hat, berechnet sich nach Auffassung des Gerichtes nach dieser Formel:

Nutzungsvorteil = (Bruttokaufpreis x gefahrene Strecke (seit Erwerb)) / erwartete Restlaufzeit im Erwerbszeitpunkt

Auch unsere Kanzlei sieht die Gesamtlaufleistung bei einem neu erworbenen Wohnmobil in Höhe von mindestens 300.000 KM als richtig an.

LG Stuttgart Urteil vom 14.04.2022, Az. 20 O 147/21

Das Landgericht Stuttgart verurteilt FCA Italy S.p.A. (im Weiteren: Fiat) in noch nicht rechtskräftigem Urteil zur Zahlung von Schadensersatz in Bezug auf den Diesel-Abgasskandal. Es ging um ein Wohnmobil, mit einem von Fiat hergestellten Basisfahrzeug Fiat Ducato in welchem ein 2,3l Multijet, 96 kW Dieselmotor verbaut ist.

Erwähnenswert bei diesem Urteil erscheint vor allem der Weg zum Ausgang des Verfahrens. Fiat wurde zwar zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt, jedoch stützte das Gericht dies auf eine andere als die übliche Anspruchsgrundlage. Anstatt Fiat aufgrund von vorsätzlicher und sittenwidriger Schädigung gemäß § 826 BGB zu verurteilen, verurteilte das LG Stuttgart Fiat wegen (zumindest) fahrlässiger Verletzung einer Schutznorm.  Was im Ergebnis keinen Unterschied macht (insofern, dass ein Schadensersatzanspruch besteht) könnte sich jedoch dergestalt positiv auswirken, dass Gerichten die Schwierigkeiten damit haben die Sittenwidrigkeit der Handlungen Fiats festzustellen, eine weitere Möglichkeit an die Hand gegeben wird, um eine Schadensersatzpflicht seitens Fiat zu konstruieren. Auffällig erscheint dennoch, dass das Gericht auf eine etwaige sittenwidrige Schädigung nicht eingeht.

Das LG Stuttgart stellt außerdem fest, dass damit, wie vom EuG gefordert, die Grenzwerte im realen Fahrbetrieb unter normalen Betriebsbedingungen eingehalten werden (EuG, Urt. v. 13.12.2019 – T.339/16), es nicht genügt, dass die Grenzwerte nur während der Prüfsituation eingehalten werden. Diese Entscheidung begründet das LG Stuttgart ausführlich und überzeugend. Es liegt somit auch nach Ansicht des LG Stuttgart eine unzulässige Abschalteinrichtung vor. Das Gericht verwirft die Gegenargumentation Fiats, dass es sich bei normalen Betriebsbedingungen, um die der Prüfsituation handelt. Dies überzeugt vor allem auch, da andernfalls der NEFZ Prüfzyklus lediglich eine rein hypothetische Überprüfung der Grenzwerte darstellen würde, dessen Sinn darin bestünde zu überprüfen, ob die Motoren der Beklagten grundsätzlich in der Lage sind, die vorgeschriebenen Grenzwerte lediglich auf dem Prüfstand, nicht jedoch im realen Fahrbetrieb einzuhalten. Eine solche Auffassung steht jedoch weder im Einklang mit dem Wortlaut der Verordnung (EG) Nr. 715/2007, noch mit dem gesetzgeberischen Willen, durch die Verordnung die Luftqualität Europas zu verbessern.

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LG Dessau Urteil vom 14.04.2022, Az. 4 O 315/21

Das Landgericht Dessau-Roßlau reiht sich in die verbraucherfreundliche Rechtsprechung ein und verurteilt FCA Itlay S.p.A. (im Weiteren: Fiat) im noch nicht rechtskräftigem Urteil zu Schadensersatz. Bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug handelt es sich um ein Wohnmobil Baujahr 2017, Basisfahrzeug Fiat Ducato (Motor Fi1, EU- Abgasnorm 6).

Das Urteil stellt ein gutes Zeichen für Verbraucher dar. Es führt den sich in der Rechtsprechung abbildenden Trend fort, Fiat zu Schadensersatzzahlungen zu verpflichten. Das LG Dessau stellt unmissverständlich fest, dass es sich in der von Fiat verwendeten Vorrichtung, in Form der Zeitschaltuhr, um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt. Das Gericht ist auch davon überzeugt, dass in der Herstellung des mit der unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Basisfahrzeugs eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung des Klägers vorliegt.

Insbesondere erwähnenswert ist auch, dass das Gericht klarstellt, dass sich Fiat nicht darauf berufen kann, dass die zuständige Typgenehmigungsbehörde in Italien zu dem Schluss gekommen ist, dass im vorliegenden Fahrzeug keine unzulässige Abschalteinrichtung verwendet wird. Dies liegt daran, dass sich im vorliegenden Fall die Fehlerhaftigkeit dieser Einschätzung geradezu aufdrängt. Diese Einschätzung des Gerichts kann auch dadurch unterstrichen werden, dass das KBA in ähnlich gelagerten Fällen (z.B. bei Fiat500X) Rückrufaktionen gestartet hat, obwohl eine Typgenehmigung einer italienischen Behörde vorlag. Dies zeigt, dass das KBA nicht ausnahmslos an eine ausländische Typgenehmigung gebunden ist.

Die Erteilung der Typgenehmigung durch das MIT kommt somit keine Tatbestandswirkung zu. Auch der BGH ist der Auffassung, dass greifbare Anhaltspunkte für die Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung nicht erst dann gegeben sind, wenn die zuständige Behörde bezüglich der betroffenen Fahrzeuge eine Rückrufaktion angeordnet hat (BGH, Beschl. v. 28. Januar 2020, Az. VIII ZR 57/19). Das bedeutet, dass nur aufgrund der Untätigkeit der Behörde nicht zwangsläufig auf das Nichtvorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung geschlossen werden kann.

Darüber hinaus stellt das Urteil auch klar, dass die eingebaute Zeitschaltuhr nicht mit einem Thermofenster vergleichbar ist, für welches der BGH festgestellt hat, dass eine unzulässige Abschalteinrichtung abgelehnt werden kann. Denn bei der Zeitschaltuhr verhält sich das Auto während der gesamten Dauer der Nutzung eben nicht gleich, vielmehr gibt es einen zeitlichen „Cut“ nachdem sich die Funktionsweise ändert. Somit ist die Argumentationsweise des BGH in Bezug auf das Thermofenster nicht auf die Zeitschaltuhr Fiats übertragbar.

LG Landshut Urteil vom 18.03.2022, Az. 54 O 1306/21

Das Landgericht Landshut verurteilt die FCA Italy S.p.A. (im Weiteren: Fiat) im noch nicht rechtskräftigen Urteil zur Zahlung von Schadensersatz in Bezug auf den Verkauf eines vom Abgasskandal betroffenen Wohnmobils und erlässt somit ein weiteres verbraucherfreundliches Urteil.

Bei dem fraglichen Fahrzeug handelt es sich um ein Wohnmobil der Marke „Challenger“ mit einem Fiat Ducato als Basisfahrzeug (Dieselmotor mit 2,3 Liter Hubraum, 109 kW Leistung, EU-Abgasnorm 6).

Das Gericht kam auch hier zum Schluss, dass die von Fiat verbaute Zeitschaltuhr eine unzulässige Abschalteinrichtung darstellt und dass die Klägerin Anspruch auf Schadensersatz aufgrund vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung hat.

Das LG Landshut legt dar, dass es eindeutig ist, dass die vorliegende Manipulation genauso eine sittenwidrige Schädigung darstellt, wie der EA189-Motor des VW-Konzerns. Denn der Sinn einer Abgasreinigung sei eben gerade nicht nur für 22 Minuten und somit für die Dauer des NEFZ-Zyklus funktionstüchtig zu sein.

Im Gegensatz zu vorangehenden Urteilen kam das Gericht hier jedoch zum Schluss, dass bei der Bemessung des Schadens zu berücksichtigen ist, dass eine Stilllegungsanordnung nicht droht, da die durch die italienische Behörde erteilte Typgenehmigung genug Bindungswirkung aufweist, dass die deutschen Behörden eine solche Anordnung nicht durchsetzen können.

Dies verkennt unserer Auffassung jedoch, dass angesichts der Offensichtlichkeit der EU-Rechtswidrigkeit der Abschalteinrichtung nicht nur eine abstrakte, sondern eine sogar latente Gefahr besteht, dass diese zu Betriebseinschränkungen führt. Es liegt nahe, dass nicht nur das MIT sondern auch das KBA einschreitet, wenn es zur Auffassung gelangt, dass die EU-Rechtswidrigkeit derart offensichtlich ist, dass eine Bindungswirkung entfällt. Vor Allem das Schreiben vom 5. Mai 2021 zeigt, dass ein Tätigwerden des KBA nicht völlig ausgeschlossen ist. Demnach ist die deutsche Behörde bereits dabei, weitere Schritte zur Entfernung der Unzulässigkeiten in den betroffenen Fahrzeugen zu prüfen.

Auch das LG Dessau sieht die Gefahr der Stilllegung hingegen als drohend an. So kann nicht ausgeschlossen werden, dass eine italienische Behörde zukünftig rechtmäßig handelt und das es aufgrund der Offensichtlichkeit des Gesetzesverstoßes auch anderweitig zu Betriebsbeschränkungen kommen könnte. Außerdem hält es das LG Dessau für möglich, dass das KBA zur Auffassung gelangen könnte, dass die Bindungswirkung der Entscheidung eines Mitgliedstaates, bei offensichtlicher EU-Rechtswidrigkeit entfallen könnte. (LG Dessau Urt. vom 14.04.2022 AZ 4 O 315/21)

Sollten jedoch andere Gericht der Auffassung des LG Landshut folgen, dass eine Stilllegungsanordnung nicht droht, könnte sich das Urteil negativ für Verbraucher bei der Schadensberechnung auswirken.

LG Meiningen, Urteil vom 21.01.2022, Az. 1 O 425/21

Das Landgericht Meiningen verurteilt FCA Itlay S.p.A. (im Weiteren: Fiat) im Zusammenhang mit dem Diesel-Abgasskandal in diesem noch nicht rechtskräftigem Urteil zum Schadensersatz. Gegenständlich war ein Wohnmobil vom Typ Fiat Ducato Bürstner Nexxo T 660.

Das LG urteilt, dass Fiat durch das Inverkehrbringen des mangelhaften Motors mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung gem. § 826 BGB begangen hat. 

Das Gericht stellt fest, dass eine Einrichtung, die unter bestimmten Bedingungen die Wirkung eines Emissionskontrollsystems verringert, unzulässig ist, außer sie fällt unter einen in der Verordnung (VO 715/2007/EG) festgeschriebenen Ausnahmetatbestand. Das Vorliegen eines Ausnahmetatbestands sieht das Gericht hier jedoch als nicht gegeben an, da die verwendete Abschalteinrichtung offenkundig einzig dazu diente, die Emissionswerte im Prüfstand zu verbessern, um die ansonsten nicht erreichbaren Werte zu erfüllen.

Das nicht Vorliegen eines Ausnahmetatbestands ist unserer Ansicht nach überzeugend. Insbesondere lässt sich die Vorrichtung nicht aus vermeintlichen Gründen des Motorschutzes rechtfertigen. Die Verordnung (EG) 715/2007 schreibt vor, dass die Emissionen während der gesamten normalen Lebensdauer des Fahrzeuges wirkungsvoll beschränkt werden müssen. Diese Regelung würde jedoch leerlaufen, wenn der allgemeine Motorverschleiß als Begründung eines Ausnahmetatbestandes ausreichen würde.

Der Kläger kann als Schadensersatz verlangen, so gestellt zu werden als hätte er den Kaufvertrag nie abgeschlossen und folglich nie den Kaufpreis bezahlt. Jedoch muss sich der Kläger dann die erlangten Vorteile anrechnen lassen. Der Schadensersatz setzt sich demnach wie folgt zusammen: Brutto-Kaufpreis abzüglich der Nutzungsentschädigung. Die Höhe der gezogenen Vorteile errechnet sich aus dem Brutto-Kaufpreis des Fahrzeugs multipliziert mit der Anzahl der gefahrenen Kilometer, dividiert durch die zu erwartende Gesamtlaufleistung. Diese betrug im vorliegenden Fall 200.000 km.

Daneben ist selbstverständlich das gegenständliche Fahrzeug herauszugeben.

Der durch eine Klage zu erwartende Schadensersatz hängt demnach, auch wenn ein Anspruch bejaht wurde, stark von der bereits gefahrenen Kilometeranzahl ab.

Weitere Urteile

Das Landgericht Landau erlässt das erste Endurteil im FCA Itlay S.p.A. (im Weiteren: Fiat) Abgasskandal und verurteilt Fiat in seinem noch nicht rechtskräftigen Urteil zu Schadensersatz.

Bisher ergingen gegen Fiat im Abgasskandal überwiegend Versäumnisurteile, da Fiat seine rechtliche Verteidigung wohl noch nicht zu genüge aufgestellt hatte. Nun erging ein Urteil gegen Fiat in einem Prozess, in dem der Konzern auch Gegenwehr leistete.

Streitgegenständliches Fahrzeug war ein auf dem Grundmodell Fiat Ducato basierendes, am 23.11.2015 erworbenes, Wohnmobil der Marke Pilote V 600 G (Motor 180 Multijet 3.0, Euronorm 5).

Das LG Landau spricht der Klagepartei Schadensersatz aufgrund von vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zu.

Im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BGH (Bundesgerichtshof) sieht das LG den Schaden der Klagepartei, bereits durch den Kauf des Wohnmobils und damit durch den Abschluss eines wirtschaftlich nachteiligen Vertrags begründet.

Auch sah es das Gericht als erwiesen an, dass es sich bei der von Fiat verwendeten Zeitschaltuhr um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt.

Darüber hinaus sah das Gericht in den Handlungen Fiats ein sittenwidriges Verhalten. Wenn die Parameter einer Abschalteinrichtung derart eng eingerichtet sind, dass die Reduktion des NOx-Ausstoßes faktisch nur auf dem NEFZ-Prüfstand eingehalten werden, kann dies genauso einen Schadensersatzanspruch begründen, wie die sog. Umschaltlogik des VW Motor EA 189. Denn eine solche Vorrichtung zielt gerade darauf ab die zuständige Typgenehmigungsbehörde arglistig zu täuschen und die Arglosigkeit der Erwerber bewusst auszunutzen. Insbesondere stellt das Gericht fest, dass Fiat die Manipulation nur aus Gründen der Gewinnmaximierung und somit einem sittenwidrigen Zweck, vornahm.

Das Urteil stellt eine gute Nachricht für Verbraucher dar. Es zeigt auf, dass die Gerichte auch im Falle des Bestreitens durch Fiat zu der Ansicht gelangen können, dass Fiat sich schadensersatzpflichtig gemacht hat. Ob sich diese Ansicht auch bis in die höchstrichterliche Rechtsprechung durchzusetzen vermag, wird sich noch zeigen müssen. Dieses Urteil deutet unsere Ansicht nach stark in diese Richtung.

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Position Fiat in den Urteilen

Fiat beruft sich immer darauf, dass die italienische Zulassungsbehörde eine Typgenehmigung erteilt hat und daher feststehe, dass alle Fahrzeuge des gleichen Typs alle Abgasgrenzwerte einhalten.

In der Realität hält Fiat die Grenzwerte oft um ein Vielfaches, insbesondere bei Fahrzeugen auf Fiat Ducato Basis, nicht ein. Es wird davon ausgegangen, dass das wohl an einer zeitbasierten Abschalteinrichtung liegt, die dafür sorgt, dass das Emissionskontrollsystem 22 Minuten nach Motorstart nicht mehr richtig funktioniert. Da der Prüfzyklus ca. 20 Minuten dauert, erfüllt Fiat mit seinem Fiat Ducato Basisfahrzeug die Abgasgrenzwerte nur auf dem Prüfstand, nicht aber unter normalen Fahrbedingungen auf der Straße.

Negative Urteile im Fiat Ducato Abgasskandal

Trotz der starken Signalwirkung von vielen positiven Urteilen, die Fiat zu einem Schadensersatz verurteilen, gibt es auch negative Urteile. Die negativen Urteile fußen dabei im Wesentlichen auf zwei Erwägungen.

Zum einen sehen viele Gerichte keine unzulässige Abschalteinrichtung, da schließlich eine Typgenehmigung aus Italien vorliegt.

Zum anderen sind viele Gerichte nicht davon überzeugt, dass es den Käufern gelungen ist, Fiat eine sogenannte „Sittenwidrigkeit“ im Sinne des § 826 BGB nachzuweisen. Um ein sittenwidriges Verhalten nachzuweisen ist es erforderlich, dass Fiat bzw. die Verantwortlichen von Fiat vorsätzlich zum Nachteil der Wohnmobilkäufer gehandelt haben.

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Schlussanträge des Generalanwalts beim Europäischen Gerichtshofs (EuGH)

Angesichts der Schlussanträge des EuGH Generalanwalts Atahnasios Rantos in einem Dieselabgasverfahren sieht es so aus, als würde sich das Blatt demnächst zu Gunsten der Verbraucher wenden.

Hervorzuheben ist die Einschätzung des Generalanwalts, dass die europäischen Regeln zur Typgenehmigung, den Abgasgrenzwerten und den Ausnahmen bei Abschalteinrichtungen, in ihrem Zusammenspiel dem Käufer einen individuellen Schutz vermitteln sollen. Die europäischen Regeln hierzu sind aus seiner Sicht Schutzgesetze.

Aus diesem Grund ist es für einen Schadensersatz völlig unerheblich, ob Fiat vorsätzlich sittenwidrig gehandelt hat, sondern ausschließlich maßgeblich, dass zumindest fahrlässig gegen ein Schutzgesetz verstoßen wurde. Als Schutzgesetz sieht er hier im speziellen Art. 18 Abs. 1, Art 26 Abs. 1 und Art. 46 der Richtlinie 2007/46/EG.

Insofern ist seiner Ansicht nach richtige Anspruchsgrundlage nicht § 826 BGB, sondern § 823 Absatz 2 BGB. Das führt zu einer erheblichen Vereinfachung für die Rechtsdurchsetzung verbraucherfreundlicher Urteile.

Bedeutung für Wohnmobilbesitzer

Für Wohnmobilbesitzer bedeuten die aktuelle Entwicklung in der Rechtsprechung in Deutschland und auf Europaebene, dass sie Ihren Schaden im Dieselskandal gegen Fiat wahrscheinlich einfacher durchsetzen können. Sowohl der Europäische Gerichtshof als auch der BGH und die Oberlandesgerichte – wie bereits das Oberlandesgericht München – lassen eine Rechtsprechungsänderung erwarten. Es zeichnet sich zusammengefasst eine verbraucherfreundlichere Rechtsprechung ab, die bei gezieltem Vorgehen gegen Fiat zu einer besseren Erfolgswahrscheinlichkeit vor Gericht für den Wohnmobilbesitzer führen kann.

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